Dienstag, 13. April 2010

Mehr als ein..... - Kapitel 2: Die großen und die kleinen Schicksale

Der Jugendclub bietet mir die Möglichkeit Kinder und Jugendlichre bei außerschulischen Aktivitäten zu beobachten. Aber genau genommen bietet er noch mehr. Bedingt durch die Tatsache, dass viele Schützlinge regelmäßig dort einkehren hat man bei einigen die Möglichkeit genauer hinzusehen und genauer zu hinterfragen. Bei einigen Kindern, die im „Pablo“ ein und ausgehen ist Chris, ein weiterer freier Mitarbeiter mit sozialpädagogischem Hintergrund, in den Familien tätig – so wie bei den Zwillingen mit den Engelsgesichtern Marten und Malte (11). Einer der beiden hat eine große Narbe am Schienbein. Ich frage nach der Ursache. Beim Versteckspiel habe ihn der andere Bruder ihm die Glastür vor der Nase zugeschlagen. Die Narbe ist also das Resultat dieses Spiels. Er wolle noch mehr von diesen Narben. Narben sein cool, das erzählt er mir, während er sich den Schorf abpult.

Chris ist in dieser Familie tätig, weil die Mutter mit den beiden überfordert ist. Im Jugendclub nehmen die beiden ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Schule ist ihnen relativ egal. Geschwänzt haben sie schon des Öfteren. Am liebsten verbringen sie ihre Zeit vor dem Rechner. Dort schreiben sie auf einer virtuellen Plattform Nachrichten. Für jede verfasste Nachricht, die oft nicht mehr als das Wort „OK“ enthält bekommen sie so genannte „Taler“. Und für „Taler“ kann man „Smileypakete“ kaufen. An meinem ersten Tag habe ich Wolfgang gefragt, ob eine Hausaufgabenbetreuung im Jugendclub angeboten wird. Er meinte, dass danach in den seltensten Fällen verlangt wird. Langsam beginne ich zu verstehen warum das der Fall ist.

Schule und alles was damit zusammenhängt, spielt bei den Kids im „Pablo“ eine untergeordnete Rolle. Diese Beobachtung kann ich auch bei Jenny machen. Jenny ist 15 Jahre alt und besucht die achte Klasse einer Gesamtschule. Eigentlich müsste sie wiederholt sitzen bleiben, denn es findet sich dreimal die Note fünf auf ihrem Zeugnis. Sie wird trotzdem in die neunte Klasse aufrücken, erzählt sie mir. Sie erzählt mir, dass sie eigentlich Ärztin für Kinderheilkunde werden wollte, aber ihre Noten seien dafür nicht ausreichend. Was sie stattdessen mit ihrem Leben plant, wird in unsrem Gespräch nicht wirklich deutlich. Für Jenny ist Tanzen das Wichtigste im Leben. Sie ist Mitglied der Hip Hop Gruppe „Instyle“. Bei eben jener Tätigkeit wirkt sie konzentriert und zielstrebig. Hier kann sie sich profilieren und wird ernst genommen

Sie fragt mich immer wieder verwundert, ob ich wirklich Lehrer werden möchte. Sie kann meinen Berufswunsch nicht im Geringsten nachvollziehen, denn das Verhältnis zu ihren Lehrern ist schlecht. Was erzählt man solchen Jugendlichen? Lernen ist toll? Ich versuche ihr zu sagen, dass Bildung einem einfach einen guten Weg ins spätere Leben ebenen kann. Ich glaube, ich bleibe bis zum Schluss befremdlich für sie.

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